Studienblog

Warum fällt mir Sport mach so schwer?

Sport und Persönlichkeit

In Deutschland sind ca. 13% der gesamten Bevölkerung in einem Fitnessstudio angemeldet. Über 11 Millionen Deutsche zahlen brav ihren Monatsbetrag. Tatsächlich sind die meisten Mitglieder allerdings Karteileichen und gehen sehr selten bis gar nicht ins Fitnessstudio.

Ca. 4 Millionen, die Minderheit, nutzt ihr Studioabo regelmäßig. Man könnte also zum Schluss kommen, dass die wahre Zielgruppe von Fitnessstudios nicht die der Sporttreibenden ist, sondern diejenigen, die eben nicht Sport machen und nur angemeldet sind. Aber warum fällt es den einen so leicht regelmäßig Sport zu machen und den anderen, den Meisten allem Anschein nach, so schwer?

Die Persönlichkeit nach dem Big Five Persönlichkeitskonzept könnte hier ein Puzzlestück sein, welches nicht nur beeinflusst, wer Sport macht und wer nicht, sondern darüber hinaus außerdem, wer sehr erfolgreich in seiner sportlichen Disziplin ist und wer nicht.

Zusammenfassung

Respond

Es existieren Unterschiede in der Persönlichkeit zwischen Profi-Sportlern, Hobby-Sportlern und Nichtsportlern. Insbesondere die Big Five Persönlichkeitsfacette „Aktivitätsniveau“, welche zur Dimension Extraversion gehört, ist entscheidend dafür, ob jemand Sport treibt oder nicht. Auch die Dimensionen Gewissenhaftigkeit und Neurotizismus sind bei Sportlern und Nichtsportlern unterschiedlich ausgeprägt. Darüber hinaus entscheiden vor allem diese beiden Persönlichkeitsdimensionen über Erfolg und Misserfolg im Sport. Profis zeigen in beiden Dimensionen eindeutig höhere Werte. Die Unterschiede sind so stark, dass die Persönlichkeitstestung zur Auswahl von Athleten einen wichtigen Beitrag leisten könnte.

Welche Persönlichkeitseigenschaften helfen beim Sporttreiben

Innerhalb der wissenschaftlichen Persönlichkeitspsychologie wird die Persönlichkeit in 5 allgemeine Dimensionen und 30 Facetten unterteilt. Dies Persönlichkeitskonzept wird auch als Big Five nach den 5 allgemeinen Persönlichkeitsdimensionen bezeichnet. Sportler und Nichtsportler zeigen hierbei einige Unterschiede in ihrer Persönlichkeit. Auch unser Persönlichkeitstest misst die Big Five und die dazugehörigen 30 Facetten.

Extraversion

Der größte Unterschied zwischen Sportlern und Nichtsportlern ist wenig verwunderlich in der Facette „Aktivitätsniveau“ zu finden (Steca, Baretta, Greco, D'Addario & Monzani, 2018; Stephan, Boiché, Canada & Terracciano, 2014). Die Facette gehört zur Big Five Persönlichkeitsdimension Extraversion und beschreibt die Eigenschaft, dass man viel Energie hat, stets auf dem Sprung ist und immer auf der Suche nach Beschäftigung ist. Personen mit hohen „Aktivitätsniveau“ haben also schlicht mehr körperliche Energie. Es fällt ihnen entsprechend leichter, sich körperlich zu verausgaben bzw. sie sind eben nicht so schnell körperlich verausgabt.

Allgemein ist die Dimension Extraversion bei Sportlern und vor allem Profisportlern stärker ausgeprägt als bei Nichtsportlern (Allen, Greenlees & Jones, 2013; Stephan et al., 2014). Dass Extraversion einen aktiven Lebensstil mit viel Sport und Bewegung begünstigt, liegt zum einen daran, dass extravertierte Personen gesellige Menschen sind. Sie haben gerne Kontakt mit anderen Menschen, was in vielen Sportarten, vor allem den Populärsten (Fußball, Handball, Basketball) zur (Team-)Sportart selbst gehört.

Außerdem sind Extravertierte laut Big Five Konzept eher auf der Suche nach aufregenden Erfahrungen. Dieses Bedürfnis wird im Sport, bei dem es öfter zu Nervenkitzel kommt, befriedigt.

Gewissenhaftigkeit

Nicht nur Extraversion ist ein entscheidender Faktor, der beeinflusst, ob einem Sport treiben leichtfällt oder doch eher schwer. Gewissenhaftigkeit, eine weitere Dimension der Big Five, ist ebenso wichtig (Allen et al., 2013; Allen & Laborde, 2014; Stephan et al., 2014; Tolea, Terracciano et al., 2012; Tolea, Ferrucci et al., 2012). Gewissenhaftigkeit ist die Erfolgsdimension des Big Five Persönlichkeitskonzepts. Wer hier hohe Werte erreicht, der ist im Leben allgemein eher erfolgreich und lebt tatsächlich länger.

Der Grund für das längere Leben, den Erfolg und auch das sportlichere Leben ist damit zu erklären, dass es gewissenhaften Menschen allgemein leichter fällt, sich an Pläne zu halten, auch dann, wenn es mal schwer wird. Eine gewissenhafte Person nimmt sich also vor, Sport zu treiben und setzt dies mit hoher Wahrscheinlichkeit auch um. Genauso ist es bei Profisportlern. So bereiten sich gewissenhafte Athleten besser auf einen anstehenden Wettkampf vor (Aidman, 2007, 2007; Stephan et al., 2014; Tolea, Terracciano et al., 2012; Tolea, Ferrucci et al., 2012; Woodman, Zourbanos, Hardy, Beattie & McQuillan, 2010) und es fällt ihnen leichter, den Trainings- und Ernährungsplan durchzuhalten.

Insbesondere zwischen Sportlern, die es nach ganz oben geschafft haben und mit Sport ihren Lebensunterhalt verdienen und Hobbysportlern sind klare Unterschiede im Ausmaß ihrer Gewissenhaftigkeit messbar. Profisportler sind wie auch allgemein erfolgreiche Menschen sehr gewissenhaft.

Neurotizismus

Neurotizismus beschreibt, wie emotional stabil eine Person ist. Je instabiler, desto größer der Wert innerhalb der Big Five Persönlichkeitsdimension Neurotizismus. Niedriger Neurotizismus, also hohe emotionale Stabilität, steht mit der Häufigkeit von körperlicher Betätigung im Zusammenhang (Stephan et al., 2014).

Zwischen Profisportlern und Hobbysportlern konnten außerdem bedeutsame Unterschiede gemessen werden (Allen et al., 2013). Profisportler sind emotionale stabiler als Hobbysportler und erhalten entsprechend niedrige Werte innerhalb der Dimension Neurotizismus (Steca et al., 2018).

Ein Grund für den größeren Erfolg von emotional stabilen Persönlichkeiten könnte die Verarbeitungsweise von Misserfolgen sein (Woodman et al., 2010). Innerhalb eines Wettkampfes muss man ein Gegentor oder aber einen gemachten Fehler schnell abhaken und sich nicht negativ beeinflussen lassen. Je stärker man mit negativen Emotionen auf den Misserfolg reagiert, desto stärker wird die weitere Leistung in Mitleidenschaft gezogen. Der positive Effekt von einer hohen emotionalen Stabilität im sportlichen Wettkampf wurde sogar innerhalb Teilnehmern der Paralympics nachgewiesen (Allen & Laborde, 2014)!

Bestimmt die Persönlichkeit, wer Profi wird?

In vielen Studien zu den Big Five konnte bereits nachgewiesen werden, dass Profisportler gewissenhafter, extravertierter und emotional stabiler sind als Hobbysportler (Allen & Laborde, 2014, 2014; Gee et al., 2010, 2010; Woodman et al., 2010). Zwischen Erfolg im Sport und Persönlichkeit scheint eine Verbindung zu bestehen.

Es stellt sich die Frage, ob sich die Big Five Persönlichkeitstestung nicht sogar eignen könnte, um erfolgversprechende Sportler zu rekrutieren. Tatsächlich wurde dies innerhalb einer Studie geprüft. Über 7 Jahre hinweg wurden 32 angehende Athleten begleitet. Es zeigte sich, dass alleine auf Basis der Persönlichkeit zu 84% korrekt vorhergesagt werden konnte, wer es zum Profi schaffen würde (Aidman, 2007).

Die Studie ist natürlich alleine aufgrund der kleinen Stichprobe kritisch zu hinterfragen. Nichtsdestotrotz passt das Studienergebnis zum allgemeinen Forschungsstand. Gute Vorhersagewerte von Big Five Persönlichkeitstests zur langfristigen Leistung von Athleten sind zu erwarten. Für kurzfristige Erfolge wie dem konkreten Ausgang eines Wettkampfs hingegen nicht. Allerdings konnten bezüglich der Saisonperformanz kleine Vorhersageeffekte gefunden werden (Allen et al., 2013). Je langfristiger also, desto besser ist die Vorhersageleistung von Big Five Persönlichkeitstests.

Persönlichkeit und Sport im Alter

Es zeigt sich, dass die Persönlichkeit auch mit der Beweglichkeit von Menschen im höheren Alter korreliert ist. So haben extravertierte Senioren eine größere Muskelstärke (Tolea, Terracciano et al., 2012). Außerdem hat sich in Studien zu en Big Five gezeigt, dass hohe Gewissenhaftigkeit mit einer höheren Laufgeschwindigkeit und einer geringeren Reduktion dieser über mehrere Jahre hinweg im Zusammenhang steht (Tolea, Ferrucci et al., 2012).

Kann Sport die Persönlichkeit ändern?

Prinzipiell ist dies der Fall. Die Persönlichkeit wird erst im Laufe des Lebens weitestgehend stabil. Persönlichkeitsmessungen vor dem 18 Lebensjahr sind also grundsätzlich eher kritisch zu beäugen. Bis dahin wird die Persönlichkeit durch Gene und durch Erfahrungen geformt. Sport kann also durchaus ein geeignetes Mittel sein, damit man selbst oder aber das eigene Kind eine „Sportlerpersönlichkeit“ entwickelt. Allerdings konnten wir keine Daten dazu finden, wie groß der Einfluss von Sport auf die Persönlichkeitsentwicklung genau ist. Es kann also gut sein, dass es bessere Methoden gibt, um die Persönlichkeitsentwicklung zu fördern.

Es ist allerdings sicher, dass je höher das Alter ist, der Effekt von äußeren Faktoren auf die Persönlichkeit abnimmt und irgendwann fast vollständig erlischt. Umso überraschender ist der Befund von Luchetti, Barkley, Stephan, Terracciano und Sutin (2014), die innerhalb einer über mehrere Jahre verlaufende Studie nachweisen konnten, dass sportliche Aktivität mit einer geringeren Reduktion der Big Five Dimensionen Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Offenheit und Verträglichkeit im Zusammenhang steht.

Nun muss man wissen, dass der Mensch mit dem Alter eh gewissenhafter wird. Die Dimension Gewissenhaftigkeit ist wegen ihres Zusammenhangs mit Erfolg ein wichtiger Faktor. Dass Sport hier einen zusätzlichen Beitrag leisten könnte, eine förderliche Persönlichkeitsentwicklung zu bewirken, ist natürlich sehr interessant. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass es sich hier um einen statistischen Zusammenhang handelt - kein kausaler! Es könnte also sein, dass nicht Sport eine höhere Gewissenhaftigkeit bewirkt, sondern ein anderer Faktor.

Literaturverzeichnis

Aidman, E. V. (2007). Attribute-based selection for success. The role of personality attributes in long-term predictions of achievement in sport. The Journal of the American Board of Sport Psychology, 3, 1–18.

Allen, M. S., Greenlees, I. & Jones, M. (2013). Personality in sport. A comprehensive review. International Review of Sport and Exercise Psychology, 6 (1), 184–208.

Allen, M. S. & Laborde, S. (2014). The role of personality in sport and physical activity. Current directions in psychological science, 23 (6), 460–465.

Gee, C. J., Marshall, J. C. & King, J. F. (2010). Should coaches use personality assessments in the talent identification process? A 15 year predictive study on professional hockey players. International Journal of Coaching Science, 4 (1).

Luchetti, M., Barkley, J. M., Stephan, Y., Terracciano, A. & Sutin, A. R. (2014). Five-factor model personality traits and inflammatory markers. New data and a meta-analysis. Psychoneuroendocrinology, 50, 181–193.

Steca, P., Baretta, D., Greco, A., D'Addario, M. & Monzani, D. (2018). Associations between personality, sports participation and athletic success. A comparison of Big Five in sporting and non-sporting adults. Personality and Individual Differences, 121, 176–183.

Stephan, Y., Boiché, J., Canada, B. & Terracciano, A. (2014). Association of personality with physical, social, and mental activities across the lifespan. Findings from US and F rench samples. British Journal of Psychology, 105 (4), 564–580.

Tolea, M. I., Ferrucci, L., Costa, P. T., Faulkner, K., Rosano, C., Satterfield, S. et al. (2012). Personality and reduced incidence of walking limitation in late life. Findings from the health, aging, and body composition study. Journals of Gerontology Series B: Psychological Sciences and Social Sciences, 67 (6), 712–719.

Tolea, M. I., Terracciano, A., Simonsick, E. M., Metter, E. J., Costa Jr, P. T. & Ferrucci, L. (2012). Associations between personality traits, physical activity level, and muscle strength. Journal of research in personality, 46 (3), 264–270.

Woodman, T., Zourbanos, N., Hardy, L., Beattie, S. & McQuillan, A. (2010). Do performance strategies moderate the relationship between personality and training behaviors? An exploratory study. Journal of Applied Sport Psychology, 22 (2), 183–197.