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Fahrstil und Persönlichkeit

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Weltweit steht das Auto für Mobilität, Freiheit und Selbstausdruck. Welches Auto man fährt, gibt Einblick in viele persönliche Merkmale, die beim Einkommen beginnen und mit dem Drang zur Selbstdarstellung enden. Auch die Fahrweise kann uns vieles über einen Menschen sagen. Zum einen sind natürlich die Fahrfähigkeiten ein wichtiger Faktor, der bestimmt wie jemand fährt, allerdings existiert auch der Fahrstil als Einflussgröße. Hier stellt sich die Frage, steht der Fahrstil als Verhaltenstendenz vielleicht mit der Persönlichkeit im Zusammenhang und kann die Persönlichkeit vorhersagen, welchen Fahrstil eine Person zeigt?

Begriffserklärung Persönlichkeit

Persönlichkeit bezeichnet stabile und situationsunabhängige Verhaltenstendenzen. So wird eine ängstliche Person unabhängig von der Situation selbst stets ein ängstlicheres Verhalten zeigen als eine nicht ängstliche Person. In der modernen Persönlichkeitspsychologie hat sich zur Beschreibung der Persönlichkeit das Big Five Konzept als Goldstandard für die westliche Welt durchgesetzt. Kein anderes Persönlichkeitskonzept ist so gut erforscht und so oft angewendet wie die Big Five. Der Name leitet sich hierbei von den fünf Persönlichkeitsdimensionen Neurotizismus (emotionale Instabilität), Extraversion, Offenheit für Erfahrung, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit ab. Jede Dimension subsumiert hierbei mehrere zueinander im Zusammenhang stehende Verhaltenstendenzen, die auch als Facetten bezeichnet werden. Eine ausführliche Beschreibung der Big Five findest du hier.

Die vier Fahrstile

Es existieren natürlich unterschiedliche Konzepte mit jeweils einer unterschiedlich großen Anzahl von Fahrstilen. Ohne eine Wertung abgeben zu wollen, ob es sich um das beste Modell handelt, konzentrieren wir uns auf das vier Fahrstilkonzept von Taubman et al. (2004).

Die von Taubman et al. (2004) beschriebenen vier Fahrstile konnten sich in statistischen Analysen bewähren und weisen jeweils ein spezifisches Korrelationsmuster mit Kennwerten wie Fahrgeschwindigkeit, Überholmanöver, zu nahes Auffahren und weiteren demografischen Daten auf. Die gefundenen Fahrstile heißen rücksichtsloser-leichtsinniger Fahrstil, ängstlicher Fahrstil, wütender-feindseliger Fahrstil und geduldiger-umsichtiger Fahrstil

Den rücksichtslosen-leichtsinnigen Fahrstil macht das bewusste Brechen von Verkehrsregeln aus. Hohe Geschwindigkeiten und gefährliche Überholmanöver dienen hierbei dem Nervenkitzel.

Der ängstliche Fahrer ist beim Fahren stets äußerst wachsam und gespannt. Er erwartet immer, dass es zu einem Unfall kommen könnte und wendet darüber hinaus ineffektive Entspannungstechniken während des Fahrens an.

Der wütende-feindselige Fahrstil macht eine allgemein feindselige Attitüde aus. Solche Fahrer sind schnell verärgert sowie wütend und zeigen dies offen. Sie macht ein aggressives Fahrverhalten aus, wozu der regelmäßige Einsatz von Lichthupe und das Aussprechen von Flüchen gehört.

Den geduldig-umsichtigen Fahrstil macht Vorausplanung und eine der Situation angemessene Fahrweise aus. Entsprechende Fahrer sind geduldig, höflich, bleiben ruhig und halten sich an die Verkehrsregel.

Zusammenhang zwischen Fahrstilen und Persönlichkeit

Rücksichtsloser-leichtsinniger Fahrstil

Personen mit diesem Fahrstil sind unterdurchschnittlich verträglich. Das bedeutet, sie sind weniger kooperativ, weniger hilfsbereit, weniger freundlich und ihnen ist soziale Harmonie nicht das wichtigste. Diese doch eher negativ klingenden Eigenschaften sollten allerdings nicht mit dem moralisch Schlechten verwechselt werden. Eine geringe Verträglichkeit als Persönlichkeitsdimension ist vor allem dann hilfreich und notwendig, wenn harte, aber wichtige objektive Entscheidungen zu treffen sind.

Außerdem weisen Menschen mit einem rücksichtslosen-leichtsinnigen Fahrstil eine unterdurchschnittliche Gewissenhaftigkeit auf. Sie weisen also eine erhöhte Impulsivität auf bzw. eine eher schlecht ausgebildete Impulskontrolle. Auch wenn impulsive Personen oft als sympathisch und witzig wahrgenommen werden, bedenken entsprechende Personen eher nicht ausreichend die Konsequenzen ihres Handelns. Es fehlt ihnen an Voraussicht.

Die Persönlichkeit der rücksichtslosen und leichtsinnigen Fahrer macht also ein geringes Bedürfnis nach sozialer Konformität gepaart mit fehlender Impulskontrolle aus. Sie haben also kein Problem damit, mit ihrem Verhalten aufzufallen und aufgrund der hohen Impulsivität reichen leichte Reize aus, um entsprechendes Verhalten zu zeigen.

Ängstlicher Fahrstil

Ängstliche Fahrer macht ebenfalls eine eher geringe Gewissenhaftigkeit aus. Auch sie haben also Probleme, ihr Impulse zu kontrollieren. Der große Unterschied zum rücksichtslosen-leichtsinnigen Fahrstil ist jedoch, dass ängstliche Fahrer nicht unverträglich, dafür aber neurotizistisch sind.

Neurotizismus beschreibt als Persönlichkeitsdimension emotionale Instabilität, wer emotional instabil ist, der hat hier also hohe Werte. Emotionale Instabilität ist mit zahlreichen psychischen Krankheiten korreliert, darunter Angststörungen und Depressionen. Dass Personen mit diesem Fahrstil ängstlich sind, kann also unteranderem auf die Persönlichkeit zurückgeführt werden.

Ängstliche Fahrer können ihre ängstlichen Gedanken und Impulse nicht zurückhalten und kontrollieren. Daher sind sie während der Fahrt immer angespannt und erwarten Unfälle.

Wütender-feindseliger Fahrstil

Die Persönlichkeit des wütenden-feindseligen Fahrers ähnelt der des rücksichtslosen-leichtsinnigen Fahrers sehr. Beide zeigen ähnlich geringe Werte in den Persönlichkeitsdimensionen Verträglichkeit sowie Gewissenhaftigkeit.

Auf Basis der Persönlichkeit würde man beide Fahrstile tatsächlich nicht voneinander trennen können. Allerdings ist die Persönlichkeit auch nicht der einzige verhaltensrelevante Faktor. Ein anderer Grund wird also für die unterschiedlichen Verhaltensweisen zwischen einem rücksichtslosen-leichtsinnigen und einem wütenden-feindseligen Fahrstil sorgen. Allerdings kann es natürlich auch sein, dass die Fahrstilkategorisierung, die Taubman et al. (2004) vornimmt, korrekturbedürftig ist.

Geduldig-umsichtiger Fahrstil

Der geduldig-umsichtige Fahrer ist stellt gewissermaßen das Gegenteil der anderen drei Fahrstile dar. Er ist verträglich, gewissenhaft und offen.

Die stärker ausgeprägte Verträglichkeit lässt auf eine erhöhte Kooperationsbereitschaft schließen. Einerseits möchten solche Fahrer niemanden gefährden oder unsozial auffallen, andererseits betrachten sie andere Fahrer auch nicht als Feind, gegen den man sich wehren müssten.

Ein höherer Wert in der Persönlichkeitsdimension Gewissenhaftigkeit weist darauf hin, dass man mit größerer Voraussicht fährt und Regeln und Gesetzte schon aus einem gewissen Pflichtgefühl heraus eher respektiert.

Überraschenderweise ist der geduldige-umsichtige Fahrer außerdem überdurchschnittlich offen für Erfahrungen. Offene Menschen macht neben einer großen Kreativität und Lust am Neuen auch einen hohen Grad an Bewusstheit für die eigenen Gefühle aus. So könnte es sein, dass sie aus dem Wissen heraus, was andere Autofahrer in Ihnen auslösen, seltener zornig oder aggressiv reagieren.

Darüber hinaus zeigen offene Menschen ein größeres Interesse am Abstrakten und intellektuellen Problemen. Oftmals sind lokale Verkehrsregeln, wie Tempolimits auf einer geraden Strecke, nur schwer nachvollziehbar, da eine unmittelbar und offensichtliche Erklärung fehlt. Hier könnte die besser ausgeprägte Fähigkeit zum abstrakten Denken ein besseres Verständnis für die Gründe der lokalen Beschilderung geben. Aus dieser Einsicht heraus könnten offene Menschen die Verkehrsregeln eher akzeptieren und daher auch eher befolgen.

Literaturverzeichnis

Taubman-Ben-Ari, O., Mikulincer, M., & Gillath, O. (2004). The multidimensional driving style inventory—scale construct and validation. Accident Analysis & Prevention, 36(3), 323-332.

Taubman-Ben-Ari, O., & Yehiel, D. (2012). Driving styles and their associations with personality and motivation. Accident Analysis & Prevention, 45, 416-422.