Studienblog

Übergewicht und die Persönlichkeit

Übergewicht bzw. Adipositas ist die Zivilisationskrankheit des 21. Jahrhunderts. Übergewichtige haben hierbei einen BMI zwischen 25 und 30 und Adipositas-Erkrankte einen BMI über 30. Wie gefährlich Übergewicht ist, erkennt man auch daran, wie viele Krankheiten durch Übergewicht erzeugt oder verschlimmert werden. So werden Herz-Kreislauf-Erkrankungen, welche die häufigste Todesursache Deutschlands ist, durch ein hohes Körpergewicht begünstigt. Gleiches gilt für Krebs, Bluthochdruck, Diabetes und Schlaganfälle. Man kann verallgemeinern, dass die häufigsten Todesursachen Deutschlands alle stark begünstigt werden durch Übergewicht.

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Übergewicht ist nicht alleine ein Problem von reichen Industrienationen. Auch Länder wie Indien und China haben zunehmend mit den Folgen einer zu schweren Bevölkerung zu kämpfen. Es existieren zwar unterschiedliche Untersuchungen, wie viele Menschen weltweit an Übergewicht sterben, allerdings sprechen Studien von besorgniserregend hohen Zahlen zwischen 2,8 und fast 10 Millionen Toten jährlich - Tendenz steigend. Zum Vergleich, im Jahr 2020 sind weltweit ca. 1,4 Millionen Menschen an Corona gestorben, was gerade mal die Hälfte ist. Jedes Jahr sterben also mindestens doppelt so viele Menschen am Übergewicht wie im ersten Corona-Krisenjahr Menschen an Corona gestorben sind.

Krankhaftes Übergewicht erhöht allerdings nicht nur das Sterberisiko, sondern reduziert die Lebensqualität der Betroffenen erheblich und kostet alleine in Deutschland laut einer OECD-Studie 3% des Bruttoinlandsprodukts, was ca. 103,2 Milliarden Euro jährlich entspricht.

Das Problem Übergewicht existiert nicht erst seit gestern. Bereits 2005 waren 57% der Männer und 41% der Frauen in Deutschland übergewichtig (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/233461/umfrage/entwicklung-von-uebergewicht-und-adipositas-in-deutschland-unter-frauen/). Bis heute ist der Anteil der Übergewichtigen weiter um 2 bis 6 % gestiegen.

Seit 2005 also hat Übergewichtigkeit alleine in Deutschland ca. 1,548 Billionen Euro gekostet. Zum Vergleich, der Corona-bedingte Shutdown 2020 kostete der deutschen Wirtschaft weniger als die Hälfte mit 354 bis 729 Milliarden Euro laut einer Ifo-Studie. Uns ist klar, dass diese Rechnung an einigen Stellen fehlerhaft ist. Im Vordergrund steht hier allerdings nicht mathematische Korrektheit, sondern die Veranschaulichung der Größenordnung.

Übergewicht kostet Lebensqualität, Geld und Leben in einem furchterregend hohen Maß. Uns stellt sich natürlich die Frage, nimmt auch die Persönlichkeit Einfluss auf das Körpergewicht?

Warum könnte die Persönlichkeit Übergewichtigkeit verursachen?

Es existieren natürlich viele Faktoren, die das eigene Gewicht beeinflussen. Dazu gehört das Alter. Je älter, desto leichter nimmt man zu. Das Geschlecht, Frauen haben von Natur aus einen größeren Körperfettanteil. Der sozioökonomische Status, es wurde vielfach belegt, dass das Bildungsniveau Einfluss auf unsere Essgewohnheiten und die Wahl unserer Lebensmittel hat. Die Gene, manche Menschen neigen von Natur aus zu einer kräftigeren oder schmaleren Statur und zu guter Letzt psychische Faktoren.

Unsere Essgewohnheiten werden vielfach von psychischen Faktoren beeinflusst. So ist Essen ein Emotionsregulator. Nahrungsmittel, vor allem die Süßen, lassen den Körper Endorphine, also Glückshormone, ausschütten. Untersuchungen haben ergeben, dass Zucker eine ähnliche Suchtwirkung auf den Körper wie Heroin haben kann.

Der Klassiker, sich nach einer Trennung den Bauch mit Eis vollzuschlagen, ist also an sich eine effektive Methode, um die unmittelbare emotionale Situation zu verbessern. Je schlechter die eigene Fähigkeit zur Emotionsregulation, desto eher nutzt man einen externen Regulator, wie Eiscreme essen.

Übergewichtige klagen außerdem öfter über Fressattacken. Hier spielt natürlich zum einen der Zusammenhang zwischen (süßen) Essen und Glückshormonen eine große Rolle, allerdings ist auch die Fähigkeit, Verlockungen zu widerstehen entscheidend. Wer zu Maßlosigkeit neigt und seine Impulse nicht kontrollieren kann, der hat auch häufiger Fressattacken.

Natürlich ist das Körpergewicht nicht nur von der Nahrungszufuhr, sondern auch von dem Kalorienverbrauch abhängig. Je mehr Kalorien man am Tag verbrennt, desto mehr kann man auch essen, ohne zuzunehmen. Regelmäßige Bewegung, wenn sie nicht aufgrund der Beschäftigungsart zum Beruf gehört, erfordert allerdings Selbstdisziplin.

Die Fähigkeit zur eigenen Emotionsregulation, Impulskontrolle, Zügelung der Maßlosigkeit und Selbstdisziplin sind also wichtige Faktoren, die das Körpergewicht beeinflussen. Alle vier Fähigkeiten sind durch Persönlichkeitsfacetten des Big Five Persönlichkeitskonzepts repräsentiert.

Die Persönlichkeit nimmt also mit hoher Wahrscheinlichkeit Einfluss auf unser Körpergewicht.

Was zeigen Studien?

Es ist gut belegt, dass sehr gewissenhafte Personen seltener übergewichtig sind. Es fällt ihnen einfacher, einen Diätplan anzulegen und sich langfristig daranzuhalten. Sie sind sportlicher, was auch wir bereits in einem Blogbeitrag thematisiert haben und weniger Impulsiv.

Auch Neurotizismus beeinflusst das Körpergewicht. Wer gering neurotizistisch ist, der reguliert seine Emotionen effektiver. Tatsächlich ist Neurotizismus allerdings mit sehr hohen und sehr geringen Körpergewicht korreliert. Diese Persönlichkeitsdimension steht also allgemein mit Essstörungen im Zusammenhang.

Im Allgemeinen sind die Einflüsse der Persönlichkeit auf das Körpergewicht also gut erforscht. Wir wollten allerdings noch etwas ins Detail gehen und sehen, welche Persönlichkeitsfacetten wie genau mit Übergewicht assoziiert sind. Die Persönlichkeit wird nach dem Big Five Konzept in fünf sehr allgemeine Persönlichkeitsdimensionen unterteilt. Dazugehören z.B. Neurotizismus und Gewissenhaftigkeit. Darüber hinaus existieren pro Dimension sechs Facetten, die die allgemein gehaltenen Dimensionen spezifizieren. Den Einfluss dieser Facetten, wollen wir genauer betrachten.

Wie beeinflussen Persönlichkeitsfacetten Übergewicht?

Schaut man sich die Persönlichkeitsfacetten und ihren Einfluss auf Übergewichtigkeit an, fällt einem sofort der starke Effekt von „Maßlosigkeit“ auf. Diese Facette gehört zur Persönlichkeitsdimension „Neurotizismus“. Die Personen, die zu den 10% maßlosesten Personen gehören, sind durchschnittlich 11 Kilo schwerer als diejenigen, die in dieser Facette zu den 10% mit der geringsten Ausprägung gehören. Ein im wahrsten Sinne des Wortes gewichtiger Unterschied. Hohe Werte in dieser Dimension bedeuten, dass man oftmals starke Bedürfnisse empfindet und große Schwierigkeiten hat, dieses Verlangen zu kontrollieren. Es steht die kurzfristige Bedürfnisbefriedigung im Vordergrund. Betroffene können also ihre Emotionen nur schlecht regulieren und gehen direkt ihrem Verlangen nach.

In der Dimension Extraversion existieren mehrere Facetten, die mit Übergewicht korrelieren. Wobei nicht alle Facetten in die gleiche Richtung weisen. Die Facette „Aktivitätslevel“ z.B. korreliert negativ mit Übergewicht. Was nicht verwundert. Wer einen großen Bewegungsdrang hat, der macht auch mehr Sport und verbrennt mehr Kalorien. Andere Facetten korrelieren wiederum positiv. Extravertiere Menschen sind viel unter Menschen und suchen Spaß, Aufregung sowie positive Reize. Gemeinsam mit Freunden und Bekanntschaften zu essen bzw. viel zu essen, sind Möglichkeiten diese Verhaltensweisen auszuleben.

Die zur Persönlichkeitsdimension Gewissenhaftigkeit gehörenden Facetten sind fast ausschließlich negativ mit Übergewicht korreliert. Vor allem wer in den Facetten „Ordnungsbedürfnis“ und „Selbstdisziplin“ hohe Werte erhält, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht übergewichtig. Sport, Diätpläne und das Setzen von Zielen sind Verhaltensweisen, die es einem einfach machen, das Gewicht zu halten oder abzunehmen, wenn über die Feiertage doch ein paar mehr Pfunde zusammengekommen sein sollten.

Literaturverzeichnis

Sutin, A. R., Ferrucci, L., Zonderman, A. B., & Terracciano, A. (2011). Personality and obesity across the adult life span. Journal of personality and social psychology, 101(3), 579.