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Paranoia

Die Paranoide Persönlichkeitsstörung

Paranoia ist weithin bekannt dank Film und Fernseh. Der psychisch gestörte mit Verfolgungswahn. In den meisten Fällen allerdings handelt es sich gar nicht um Paranoia als eigenständige Störung, sondern um eine andere psychische Störung wie Schizophrenie oder bipolarer Störung. In solchen Fällen ist der paranoide Anflug nur ein Symptom eines Gesamtpaketes. Insbesondere wenn es besonders Abstrus wird, zum Beispiel, wenn die betroffene Person davon überzeugt ist, dass sie vom Geheimdienst verfolgt wird, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es sich nicht um die eigenständige paranoide Persönlichkeitsstörung handelt. Was ist also eigentlich die paranoide Persönlichkeitsstörung?

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Zusammenfassung

Die paranoide Persönlichkeitsstörung kennzeichnet einen großen Grad an Misstrauen und Argwohn anderen Personen gegenüber. Betroffene haben große Schwierigkeiten, zwischen komplett harmlosen und potenziell schädlichen Situationen zu unterscheiden. Grundloser Weise hegen in ihren Augen die meisten Menschen ihnen gegenüber eine Abneigung und stellen eine Bedrohung dar, wobei Wahnvorstellungen sehr selten sind. Entsprechend zeigen paranoide Personen oftmals distanziertes, aggressives und feindseliges Verhalten als Selbstschutzstrategie. Diese Symptomatik führt dazu, dass Betroffene klinisch unterrepräsentiert sind und dass das Krankheitsbild nicht ausreichend gut erforscht ist. Entsprechend existieren auch keine klaren Behandlungsempfehlungen. Sicher ist nur, dass die üblichen Umgangsformen innerhalb einer Therapie schnell als zu forsch und zu stark in die Privatsphäre eindringend wahrgenommen werden, was einen Therapieabbruch begünstigt. In der Gesamtpopulation wir die Häufigkeit der Störung auf 0,5 bis 2,4% geschätzt. Man nimmt genetische und umweltbedingte Ursachen an, wobei auch hier die Forschungslage unzureichend ist. Missbrauch und Verwahrlosung, soviel ist bekannt, sind mit der Entwicklung einer paranoiden Persönlichkeitsstörung assoziiert.

Symptome der paranoiden Persönlichkeitsstörung

Betroffene der paranoiden Persönlichkeitsstörung zeigen eine Auswahl folgender Verhaltensweisen:

Sie sind allgemein misstrauisch und argwöhnisch gegenüber den allermeisten Personen, denen sie begegnen. Entsprechend haben sie große Schwierigkeiten anderen Menschen zu vertrauen, da sie in der ständigen Angst leben, sie würden bedroht werden, betrogen werden, ausgenutzt werden oder andere versuchten ihnen auf irgendeine Art und Weise Schaden zuzufügen. Sie interpretieren Handlungen anderer Personen und auch Aussagen als gegen sie gerichtet, auch dann, wenn es eigentlich keinen Grund für diese Annahmen gibt (American Psychiatric Association, 2013; Bernstein & Useda, 2007; Psychoplogy Today, 2019).

Es handelt sich hierbei allerdings weniger um Wahnvorstellungen, sondern mehr um sehr falsche Bewertungen des Verhaltens anderer. Sie driften also nicht in eine Fantasiewelt ab, ihre Vorstellungen sind gewissermaßen plausibel. Wahnvorstellungen, wie zu glauben dass der Geheimdienst einen verfolge, sind sehr selten unter Betroffenen einer paranoiden Persönlichkeitsstörung und treten wenn überhaupt unter großen Stress auf (Bernstein & Useda, 2007).

Sie haben also große Probleme zwischen Handlungen anderer Personen zu unterscheiden, die komplett harmlos sind und solchen die tatsächlich schädlich sein könnten. Entsprechend dieser Wahrnehmungsverzerrung verhalten sie sich oft feindselig und aggressiv. Genau dieses Verhalten führt dann wiederum oft dazu, dass sich die anderen Personen tatsächlich feindselig verhalten. Nicht weil sie ursprünglich ein Problem mit der paranoiden Person hatten, sondern weil eben diese sich feindselig ihnen gegenüber verhält (Bernstein & Useda, 2007). Ein Teufelskreis.

Hat eine betroffene Person erst einmal einen Groll einer anderen Person gegenüber entwickelt, so ist es unwahrscheinlich, dass dieser vergessen wird oder gar der anderen Person vergeben wird. Ihre Verdächtigungen und ihr Argwohn verbergen sie oftmals lange bzw. Sprechen ihren Verdacht nicht an.

Ein Beispiel: Die Nachbarn einer paranoiden Person erlauben ihren Kindern im Flur des Apartmentgebäudes laute Geräusche zu machen - eben etwas, was Kinder öfters machen. Lärm stört wohl potenziell jeden, allerdings geht eine gesunde Person davon aus, dass die Kinder Lärm machen, weil sie Kinder sind. Eine paranoide Person jedoch entwickelt den Glauben, dass die Eltern der Kinder dies bewusst zuließen, um sie zu schikanieren. Entsprechend dieses Irrglaubens verhält sich die paranoide Person zunehmend aggressiv den Nachbarn gegenüber. Wenn die Nachbarn nach einiger Zeit nachfragen, ob denn ein Problem vorläge, wirft die paranoide Person ihnen offen vor, dass man sie bewusst schikanieren würde. Die Nachbarn versuchen nun zu erklären, dass der Vorwurf nicht zutreffe. Die paranoide Person glaubt ihnen jedoch nicht und es kommt zu keiner Verhaltensänderung ihrerseits (Bernstein & Useda, 2007).

Das Misstrauen anderen Gegenüber macht es besonders schwierig Betroffene zu therapieren, da eine Therapie auf eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Therapeut und Klienten aufbaut. Personen mit paranoider Persönlichkeitsstörung haben allerdings genau damit ihre größten Probleme (Bernstein & Useda, 2007; Psychoplogy Today, 2019).

Ursachen und Häufigkeit der paranoiden Persönlichkeitsstörung

Die Ursachen für eine paranoide Persönlichkeitsstörung sind nicht ausreichend gut erforscht. Man geht wie bei allen Störungen von genetischen und umweltbedingten Komponenten aus. Man konnte belegen, dass paranoide Störungen überdurchschnittlich oft vorkommen, wenn innerhalb der Familie ein Fall von Schizophrenie existiert (Bernstein & Useda, 2007; Psychoplogy Today, 2019; Triebwasser, Chemerinski, Roussos & Siever, 2013). Ein klarer Hinweis auf eine genetische Komponente.

Außerdem konnten unterschiedliche Studien zeigen, dass traumatische Kindheitserlebnisse, die Missbrauch und Vernachlässigung beinhalteten, mit einer paranoiden Störung assoziiert sind (Bernstein & Useda, 2007; Psychoplogy Today, 2019). Allerdings ist die Studienlage eher dünn (Bernstein & Useda, 2007).

Es wird davon ausgegangen, dass die Häufigkeit der paranoiden Persönlichkeitsstörung in der Gesamtpopulation zwischen 0,5 und 2,4 Prozent liegt. In der klinischen Population hingegen, also in Psychiatrien zum Beispiel, wird der Wert auf 4,2% geschätzt (Triebwasser et al., 2013). Insgesamt sind mehr Männer als Frauen von einer paranoiden Persönlichkeitsstörung betroffen.

Messung und Behandlung der paranoiden Persönlichkeitsstörung

Es existieren nur wenige Instrumente zur Messung der paranoiden Persönlichkeitsstörung. Ein zu nennendes Beispiel ist das „Paranoid Personality Disorder Features Questionnaire“ (PPDFQ) (Useda, 2002). Der Grund hierfür ist die angesprochene geringe Präsenz der Störung im klinischen Kontext. Aufgrund des allgegenwärtigen Argwohns nehmen Betroffene eher selten Therapieangebote in Anspruch. Ihr Wunsch nach Privatsphäre und Autonomie stehen mit der therapeutischen Praxis im Widerspruch. Außerdem ist die Störung oftmals unscheinbar bzw. schwer zu erkennen. Da sie nur selten an Wahnvorstellungen leiden und ihr extremes Misstrauen meist verbergen, erregen sie nur wenig Aufmerksamkeit (American Psychiatric Association, 2013; Bernstein & Useda, 2007; Psychoplogy Today, 2019; Triebwasser et al., 2013).

Entsprechend des eher schlechten Forschungsstandes existieren keine eindeutigen Behandlungsempfehlungen bei paranoider Persönlichkeitsstörung. Jedoch müssen die besonders hohen Schwierigkeiten von Paranoiden, Vertrauensbeziehungen zu anderen Personen aufzubauen, berücksichtigt werden. Diese Besonderheit von Betroffenen einer paranoiden Persönlichkeitsstörung ließ bereits Therapeuten zur Aussage hinreißen, dass sie nicht therapierbar wären (Bernstein & Useda, 2007).

Für Paranoiabetroffene kann die übliche Herangehensweise in einer Therapie bereits zu forsch sein. Als Leitfaden wird empfohlen, die realitätsnahe Beurteilung ihrer Erfahrungen mit anderen Personen zu trainieren. Den Anfang mache hierbei, dem Patienten zu helfen, die eigenen Gefühle zu bemerken und die eigene Verletzlichkeit und die eigenen Ängste zu akzeptieren. Durch die Erhöhung des Selbstwertgefühls und die Reduktion von Scharmgefühlen soll dem Patienten im Anschluss geholfen werden, eine ausgewogenere Einstellung zu Misstrauen und Vertrauen zu entwickeln. Schließlich soll daran gearbeitet werden, kontraproduktive Selbstschutzstrategien, wie aggressive Gegenschläge auf vermeidliche Drohungen, zu reduzieren (Bernstein & Useda, 2007).

Fallbeispiel einer paranoiden Persönlichkeitsstörung

Ein Betroffener der paranoiden Persönlichkeitsstörung berichtete in seiner Therapie von stark übertriebenen Ängsten, dass seine Kollegen ihn nicht respektierten und dass sein Chef nach Ausreden suchte, ihn zu feuern. Tatsächlich jedoch existierten nur wenige Anhaltspunkte, dass seine Ängste begründet waren. Trotzdem schien ein rauer Ton auf der Arbeitsstelle des Patienten zu herrschen und Vorgesetzte versuchten anscheinend wirklich, den Wettbewerb zwischen den Arbeitern auf Kosten des Betriebsklimas zu steigern und viele hatten Angst, ihren Job jederzeit verlieren zu können. Die Ängste des Patienten waren also nicht komplett aus der Luft gegriffen, allerdings hatte er seine Arbeitssituation stark fehlinterpretiert.

Den Patienten beruhigte an dieser Stelle, dass der Therapeut diesen Teil seiner Wahrnehmung als nicht verrückt abtat. Außerdem half dem Patienten die Einsicht, dass er nicht der einzige war, der sich unsicher fühlte. So konnte er einen Prozess beginnen, in dem er mit dem Therapeuten die Indizien und Evidenzen für und gegen seine Fehlinterpretationen abwog. Er stellte selbst fest, dass seine Vermutung über die den fehlenden Respekt ihm gegenüber vor allem auf sehr vieldeutige Situationen beruhte, die eine große Vielzahle an Alternativerklärungen zuließen. Außerdem konnte er für sich feststellen, dass seine Schutzstrategien, die eine große Distanz zwischen sich und seinen Kollegen bewirkten, einen Teil der Unfreundlichkeit ihm gegenüber erklärten.

Auf Anraten des Therapeuten lud der Patient seine Kollegen zum Mittagessen ein. Seit dem gemeinsamen Essen bemerkte er, dass seine Kollegen ihm gegenüber freundlicher und aufgeschlossener waren, was gegen seinen Glauben, er werde nicht respektiert, sprach.

Als er kurz darauf eine sehr positive Bewertung von seinem Vorgesetzten erhielt, nahm er trotzdem an, dass die Bewertung ein Trick sei und der Vorgesetzte hinter seinem Rücken schlecht über ihn reden würde. Nach einigen Diskussionen konnte der Therapeut ihn davon überzeugen, dass seine Reaktion auf eine tiefsitzende fehlerhafte Selbstbewertung zurückzuführen ist. Der Glaube, dass er unwiderruflich fehlerhaft sei und nicht gemocht werden könnte.

Literaturverzeichnis

American Psychiatric Association. (2013). Diagnostic and statistical manual of mental disorders. DSM-5 (5. ed.). Washington, DC: American Psychiatric Publishing.

Bernstein, D. P. & Useda, J. D. (2007). Paranoid personality disorder.

Psychoplogy Today (www.psychjologytoday.de, Hrsg.) (2019). Paranoid Personality Disorder. Zugriff am 26.2.19. Verfügbar unter https://www.psychologytoday.com/intl/conditions/paranoid-personality-disorder

Triebwasser, J., Chemerinski, E., Roussos, P. & Siever, L. J. (2013). Paranoid personality disorder. Journal of personality disorders, 27 (6), 795–805.